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Jennifer Sutholt

Stellungnahme zur Dokumentation über private Samenspende „Vater bekannt – ein Samenspender und seine Kinder“ im NDR

Solowunschmütter unseres Vereins bewegt und wichtige Diskussionen angestoßen. Dazu möchten wir als Verein Solomütter Deutschland e.V. gerne Stellung nehmen.


Positive Aspekte:


In der hier gezeigten Konstellation (private Samenspende) ist der Spender im Leben der Kinder präsent (kann angerufen werden, besucht werden, kommt zur Einschulung auf Wunsch des Kindes). Wir möchten darauf hinweisen, dass diese Konstellation einen Ausnahmefall darstellt und in vielen Fällen einer privaten Samenspende so eine aktive Rolle nicht vorgesehen ist. Der Spender und die Beteiligten setzen die folgende Punkte für das Gelingen einer privaten Samenspende gut und kindzentriert um:


  • Transparenz als Voraussetzung/Bedingung

  • klare Regeln (keine anonyme Spende, das Kind darf den Spender jederzeit kontaktieren und ggf. besuchen)

  • Familien können sich untereinander kontaktieren und treffen

  • der Spender hat sich ein Limit gesetzt, wie vielen Familien er maximal mit seiner Spende hilft

  • der Spender geht auf Bedürfnisse der Kinder ein (Einschulung)

  • der Spender erklärt sich sofort zu einer genetischen Testung bereit, nachdem das Koolen-de-Vries Syndrom bei einem durch seine Hilfe entstandenes Kind festgestellt wird und zeigt hier Verantwortung

  • der Spender nutzt ausschließlich die Heiminsemination mit Hilfe eines Bechers, so werden durch Geschlechtsverkehr entstehende Risiken (Übertragung von Krankheiten) vermieden und Empfänger*innen werden nicht zu Geschlechtsverkehr überredet

  • die Familie des Spenders und seine Ehefrau wissen Bescheid, die Ehefrau zeigt sich damit einverstanden und ist aktiv an den Treffen beteiligt


Begriffe und Rollen


Diese Dokumentation zeigt auf, wie wichtig im Vorfeld der Planung eines solchen Weges die Ausgestaltung der Rolle der spendenden Person ist. Besonders bei einer privaten Spende, bei der der Spender mehr als nur auf Anfrage des Kindes kontaktiert werden kann, aber keine aktive Vaterrolle einnimmt, ist eine klare Begrifflichkeit für alle beteiligten Personen hilfreich, um ihre Rollen verstehen, leben und ausfüllen zu können. 

Egal für welchen Weg sich eine Wunschelternperson entscheidet, lange und intensive Klärungsgespräche sind zwingend erforderlich, um genau zu sondieren, welche Rolle von allen Beteiligten gewünscht ist. Auf dem Spektrum der Solomutterschaft befindet sich die hier gezeigte Familienform, die an eine Co-Elternschaft in Onkelfunktion erinnert irgendwo zwischen Co-Elternschaft und privater Samenspende. Unsere Erfahrungen zeigen: hier kommt es oft zu Missverständnissen und unausgesprochenen Erwartungen, die ggf. später enttäuscht werden, vor allem, weil sich Bedürfnisse, Emotionen und Verständnis der Rollen ändern können.



Für uns verstärkt die Doku die Wichtigkeit, eine klare Begrifflichkeit für die Betitelung des Spenders zu finden, die für alle Beteiligten passt. Im gezeigten Beispiel bezeichnen die Kinder den Spender oft als Vater, obwohl dieser sich nicht als Vater fühlt. Die Schwierigkeit, einen geeigneten Begriff zu finden, ist auch in anderen Familienmodellen zu finden, zum Beispiel bei Solomutterschaft nach Samenbankspende oder auch heterosexuellen Beziehungen mit Spender. Die Begriffe Spender, Samenspender, Spermaspender oder eine Umschreibung der spendenden Person werden in den Communities kontrovers diskutiert und zum Teil abgelehnt. Die Begriffe Papa oder Vater sind für viele immer auch mit einer sozialen Rolle belegt und lassen im Kopf eine ganz genau festgelegte Erwartung an die Person entstehen. Um die Erwartungen der Kinder nicht zu enttäuschen, entscheiden sich immer mehr Solomütter dafür, von diesen Begriffen abzusehen.


Anmerkungen


Grundsätzlich finden wir es gut, dass auch kritische Stimmen zu hören waren. Gefehlt hat aus unserer Perspektive noch ein Hinweis über die hohe Missbrauchsgefahr bei Kontakten zu Spendern aus dem Internet. Außerdem finden wir eine rechtliche Einordnung wichtig.

Uns fehlte außerdem noch der Hinweis, dass Kinder heute mit 16 Jahren die Kontaktdaten des Spenders einer Samenbankspende erfahren können. Die Fakten aus der Dokumentation beziehen sich auf die Sachlage vor 2018. Seit 2018 wurde mit dem Samenspenderregistergesetz die Errichtung eines Samenspenderregisters eingeführt und das Gesetz sieht klare Regelungen zur Auskunftserteilung über den Spender vor.


Bei Gerrit und seinen Kindern beruhen Fragen nach Unterhalt auf der Vertrauensbasis, nach dem deutschen Gesetz sind Unterhalt und Umgang aber genau geregelt. Wie die Protagonist*innen damit umgehen, wenn eine Person nachrangige Leistungen zB. Wohngeld benötigt, wird nicht gezeigt, sollte aber immer Teil der Vorbereitung sein. Hier möchten wir auf unsere Forderungen des Vereins verweisen, die private Samenspender ins Samenspenderregister aufzunehmen und somit für alle Beteiligten rechtlich abzusichern.



Auch die hohe Zahl der Kinder, die zum Zeitpunkt der Doku bereits entstanden sind sollte zur Diskussion stehen.

Die kürzlich erschienene Netflix-Doku „Der Mann mit den 1000 Kindern“ über einen Massenspender hat zudem noch mal aufgezeigt, wie wichtig eine rechtliche Regelung zur Limitierung der Anzahl der durch Samenspende entstehenden Kinder bzw. Familien ist. In diesem Zusammenhang zeigt sich noch mal sehr kritisch, wie wichtig hier eine Begrenzung der Zahl der gezeugten Kinder ist. In unserer Stellungnahme schließen wir uns der Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Kinderwunschberatung an. Auch hier möchten wir an die Forderungen des Vereins erinnern:


  1. Krankheitswert- und Familienstandunabhängige Kostenübernahme einer Kinderwunschbehandlung

  2. Diskriminierungsfreie Voraussetzungen der Kinderwunschbehandlung

a. Vereinheitlichung der deutschlandweiten Richtlinien der Landesärztekammern

b. Abschaffung der Garantieperson

  1. Überführung der privaten Samenspenden ins Samenspenderregistergesetz und gleichzeitige Begrenzung der Zahl der gezeugten Kinder

    1. Kindzentrierte Neudefinition von Familie (Vorschlag: erwachsene Person mit Kind(ern) + X), auf der die staatliche finanzielle Unterstützung (z.B. Versorgungsleistungen, Waisenrente) aufbaut a. Veränderung der Struktur in Ämtern und Institutionen, um Diskriminierung in Zukunft zu unterbinden: Solomutterschaft ist keine fehlende Mitwirkung

  2. Aufklärung der Öffentlichkeit über Vielfalt von Familie

  3. Abschaffung von Vorurteilen gegenüber Solomütterfamilien durch Lenkung des Forschungsinteresses auf alternative Familienmodelle



Fazit


Wir freuen uns darüber, dass immer mehr Familienmodelle in Dokumentationen abgebildet werden und halten die Diskussion darüber für wichtig und fruchtbar, auch wenn nicht alle Fragen sofort beantwortet werden können. Jedes Beispiel hilft anderen, sich in die Realitäten von alternativen Familienmodellen hinein zu denken.

Uns ist es wichtig, dass die unterschiedlichen Familienmodelle nicht als besser oder schlechter bewertet werden und dass wir gedanklich "offen" bleiben, auch wenn einzelnen Personengruppen vielleicht irgendetwas an einem anderen Familienmodell aufstößt. 


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