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Stellungnahme zum Artikel „Solomutter – Selbstbestimmt und doch allein“

Aktualisiert: vor 21 Minuten



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In der Süddeutschen Zeitung vom 06.11.2025 erschien der Artikel „Solomutter – Selbstbestimmt und doch allein“. Da dieser Erfahrungsbericht in der Community viel Empörung hervorgerufen hat, möchten wir als Verein Solomütter Deutschland e.V. die Aussagen gerne einordnen und auch einer Solomutter aus der Community die Möglichkeit geben, sich dazu zu äußern.


Stellungsnahme


Wir danken der Autorin für ihren ehrlichen Bericht. Ihre Worte machen sichtbar, was viele Mütter, egal in welcher Elternschaft, immer wieder erleben: Elternschaft ist anstrengend, manchmal überwältigend, und oft weit entfernt vom in den Medien und durch Influencerinnen gezeigten Idealbild. Wir bedauern, dass sie so wenig Unterstützung erfahren hat, und wünschen uns, dass keine Frau heute mehr so allein durch diese Erfahrung gehen muss.


Gleichzeitig möchten wir einordnen: Der Artikel beschreibt die persönliche Geschichte einer einzelnen Solomutter. Diese Erfahrung ist real, aber sie steht nicht stellvertretend für alle. Als Frau, die vor rund neun Jahren Mutter wurde, war sie Teil einer Generation, in der Solomutterschaft noch stark tabuisiert war. Es gab kaum zugängliche Informationen, kaum Kliniken, die behandelten, und keine sichtbaren Vorbilder. Viele Frauen mussten ihren Weg allein finden, ohne die Netzwerke und Austauschmöglichkeiten, die heute existieren.


Seitdem hat sich viel verändert. Unser Verein, Solomütter Deutschland e.V., setzt sich seit Jahren dafür ein, dass Solomütter sich vernetzen, austauschen und gegenseitig unterstützen können. Vernetzung ist entscheidend, denn Isolation ist der größte Risikofaktor für Überlastung.


Wir sehen auch, wie wichtig fundierte Vorbereitung ist. Wer sich für eine Solomutterschaft entscheidet, trifft eine weitreichende Entscheidung, die reflektiert und gut begleitet werden sollte. Wir empfehlen daher ausdrücklich die psychosoziale Kinderwunschberatung durch BKiD. Sie hilft, Motive, Grenzen und Erwartungen zu klären, besonders dann, wenn noch stark das Bild des klassischen Familienmodells „Mutter-Vater-Kind“ im Kopf wirkt.


Solomutterschaft darf nicht aus der Idee entstehen, sich selbst völlig zu verausgaben. Elternschaft, egal in welcher Konstellation, ist kein Hochglanzprojekt. Aber sie kann erfüllend, stabil und liebevoll gelingen, wenn Strukturen und Aufklärung stimmen.


Deshalb setzen wir uns als Verein für mehr gesellschaftliche Sichtbarkeit, politische Unterstützung und frühzeitige Aufklärung ein, bei Eltern, Fachkräften und Kindern. Aufklärung bedeutet immer nicht nur die Aufklärung des Kindes, sondern besonders auch des Umfeldes. Es sind nicht die Kinder, die ein Problem mit anderen Familienmodellen haben, sondern deren Eltern. Auch Erwachsene müssen verstehen, dass Vielfalt in Familien Realität ist und kein Ausnahmezustand.


Wir freuen uns, wenn ihr unsere Stellungnahme verbreitet, kommentiert und uns eure Meinung sagt, wie ihr den Artikel findet.


Stimme aus der Community


Eine Solomutter war sehr betroffen von dem Artikel und hat sich die Mühe gemacht, ihre Gedanken dazu aufzuschreiben. Sie spricht damit vielen Solomüttern aus dem Herzen, die sich entsetzt über den Artikel gezeigt haben.


Ist unsere Gesellschaft eigentlich bereit für Solomutterschaft? Ist die Politik bereit für Solomutterschaft?


Die Politik ganz sicher nicht, unsere Gesellschaft aber schon.


In der Süddeutschen Zeitung erschien gerade ein Artikel über Solomutterschaft. Geschrieben von einer Solomutter. In dem Artikel wird auf gesellschaftliche und politische Probleme der Solomutterschaft sowie auf Schwierigkeiten hingewiesen. Es soll ein Meinungsartikel sein. Doch wieviel Meinung steckt in der Aussage „In dieser Hinsicht lügen wir Solomütter uns gegenseitig in die Tasche.“?

Es fehlt eine Lobby und gleichzeitig wird die Lobby, die sich versucht aufzubauen an den Pranger gestellt. Die Verfasserin des Artikels macht persönliche Probleme zu pauschalen Problemen der Solomutterschaft.


Ehrliche Aufklärung gibt es in der Solomutter-Community nicht […]. Im Gegenteil […] es wird eher versucht möglichst viele Frauen mit in dieses schwer zu manövrierrende Boot zu holen.“


Ich habe weder vor der Schwangerschaft noch danach jemals gehört, dass Solomutterschaft einfach ist oder leicht zu stemmen wäre. Im Gegenteil, egal wo ich mich vernetzt habe, ob in Facebook-Gruppen, WhatsApp-Chats oder Solomütter-Treffen … überall wurde offen darüber erzählt und diskutiert welchen Herausforderungen man begegnen wird. Es hat sogar dazu geführt, dass ich meine Entscheidung mehrfach überdacht habe. Der Unterschied zu dem, was hier unterstellt wird: es wurde und wird überall Hilfe angeboten. Fragen finden Antworten. Hilfesuchende finden Hilfegebende. Der Austausch über Themen von der Behandlung über Schwangerschaftsprobleme, Alltagsprobleme von Alleinerziehenden, Aufklärung der Kinder, wo bekommt man welche Unterstützung bis hin zur Vorsorge findet offen und ehrlich statt. Wer aufgeklärt werden will, der findet auch Aufklärung.


„In Wahrheit ist unsere Gesellschaft nicht bereit für unser Lebensmodell“


Teile unserer Gesellschaft sind es nicht. Z.B. die, die sagen, dass Kinder immer Mutter und Vater brauchen oder Menschen die Solomutterschaft als egoistisch bezeichnen. Die sind sicher nicht bereit dafür. Wer so aufschreit und meint beurteilen zu müssen wie andere Menschen leben und lieben, kann sich gern weiterhin davor verschließen, dass das Leben auch anders funktionieren kann. Kann gern weiterhin glauben, dass Menschen nicht glücklich sind, auch wenn sie abseits der eigenen Norm leben.

Meine Tochter war vor kurzem Buchkind in ihrer Kita. Sie hatte ein Buch über eine Solomutter dabei. Die Erzieherin bedankte sich danach für dieses Buch, weil sie mit den Kindern eine wunderschöne Diskussion über verschiedene Familienformen hatte.

Unsere Gesellschaft ist sowas von bereit aber wir müssen es auch zulassen, Aufklärung betreiben und bereit sein offen darüber zu reden.


„Dass meine Tochter ohne Vater daherkommt, verstehen „Vater-Mutter-Kind-Kinder“ nicht“


Ich hatte von Beginn an Angst vor den Situationen in denen ich oder meine Tochter danach gefragt werden. Wie erkläre ich das kindgerecht? Wann sage ich was, wann nicht? Wie wichtig möchte ich das Thema machen? Ich habe auf der Wickelkommode angefangen mit meiner Tochter zu üben. Das erste Mal wurde sie mit etwa einem Jahr auf dem Spielplatz von einem anderen Kind angesprochen. „Wo ist dein Papa?“. Bis heute hatten wir unzählige weitere solcher „Situationen“. Mit jeder von ihnen sind wir souveräner geworden. Haben für uns selbst (ich übrigens anders als das Krümelchen) gelernt wie wir das handhaben wollen. Mein Fazit: die „Mutter-Vater-Kind“-Kinder verstehen das sehr gut und haben überhaupt kein Problem damit. Es kommen in den wenigsten Fällen Nachfragen. Die häufigste Antwort: „Achso. Wollen wir zusammen spielen?“ Auch die meisten Eltern verstehen es, wenn man offen in eine Kommunikation geht, dahintersteht und auch offen für Rückfragen ist.


„Unter Solomüttern gibt es die verbreitete Annahme, dass Kinder prima ohne Vater auskommen […] Ich halte beides für eine Lüge. Vor allem Jungen sehnen sich nach einem Vater oder einer vaterähnlichen Figur. Auch für Mädchen ist es besser, wenn da noch eine zweite enge Bezugsperson ist, die andere Erfahrungen, andere Blickwinkel einbringen kann“


Welche Erfahrungen und Blickwinkel kann ein Vater einbringen, die nicht auch das nähere Umfeld einbringen könnte? Können nicht auch andere Menschen eine enge Bezugsperson sein? Darf mein Kind sich nicht seine Bezugspersonen aussuchen? Meinem Kind fehlt es nicht an etwas Bedeutendem, was nur von einem Vater ausgefüllt werden könnte.


Wie jetzt, fragt mein Kind etwa nicht nach dem Vater? Frage ich mich etwa nicht, wie es mit einem Mann an meiner Seite wäre? Doch, dass frage ich mich. Und ja, mein Kind fragt danach. Sie fragt sogar sehr viel. Sie hat durchaus auch schwere Gefühle darüber. Und diese Gefühle darf sie fühlen. Sie gehören dazu. Genauso wie jedes andere Gefühl, dass wir Menschen haben können. Das ist ein Teil von ihr und dieser Teil macht ihr Leben nicht schwerer. Es ist einfach nur anders als andere Leben. So wie übrigens auch alles andere. Wir alle haben unterschiedliche Geschichten, Wohnungen, Besitztümer, Sprachen, Hautfarben, Haarfarben, … wir sind alle anders und doch gleich, weil wir alle mal Etwas in unserem Leben vermissen oder eben froh sind, es zu haben. Meine Tochter erzählt voller Stolz, dass wir beide eine Familie sind und gleichzeitig darf sie fragen, ob sie auch mal von einem Papa in der Kita abgeholt werden darf. (Was übrigens geht, denn wir haben Freunde mit Papas und die übernehmen das gern mal)


Fazit


Ich möchte die Herausforderungen einer Solomutterschaft überhaupt nicht schön reden. Die alleinige Verantwortung für alles (wirklich alles!) zu haben, ist oft ein Drahtseilakt. Der eigene Wohnort und wieviel Aufklärungsbereitschaft das Umfeld hat, trägt dazu bei ob man eher positive oder eher negative Erfahrungen mit der Solomutterschaft macht.

Ein Austausch in welcher Form auch immer ist immens wichtig. Die meisten der Menschen, die mich heute im Alltag unterstützen, kannte ich bis vor ein paar Jahren nicht einmal. Den Weg der Solomutterschaft einzuschlagen, kann bedeuten, dass das eigene Leben einmal komplett umgekrempelt wird. Muss es aber nicht. Niemand kann das vorhersehen. Wenn ich alle Frauen, die mittlerweile Mütter sind, in meinem Umfeld danach frage, geben sie mir übrigens die gleiche Antwort und das sind mehr als 50% keine Solomütter. Denn (Überraschung): ein Kind zu bekommen ist immer lebensverändernd.


Liebe Autorin dieses Artikels: Meine Erfahrungen und Herausforderungen sind nicht deine! Die Themen so zu pauschalisieren und Unterstellungen zu verbreiten, hilft ganz sicher nicht bei der Aufklärung von diesem besonderen Familienmodell. Vielleicht wird es Zeit, mal darüber nachzudenken, was wir für mehr Bereitschaft in der Gesellschaft beitragen können statt die Solomutterschaft als ein unmögliches Familienmodell darzustellen.

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